Die neue Art zu arbeiten

Menschen hören schon seit Jahrzehnten ihre Lieblingssongs. Ob auf dem Grammophon, über’s Radio, den MP3-Player, iPod oder nun eben über das Smartphone. Ständig gibt es neue Geräte, die sich in ihrer Arbeitsweise weiterentwickeln. Nur wir Menschen scheinen in einer Art Generation Standby festzustecken. Gleiche Arbeitsmodelle wie noch vor 100 Jahren, ständiges Warten auf Feierabend, Wochenende und Urlaub. Doch damit soll jetzt Schluss sein. 

Tradition ist Tradition

Menschliche Arbeitsweisen haben sich während all der technologischen Weiterentwicklungen der letzten Jahrzehnte kaum verändert. Das klassische Nine-to-Five-Modell mit einer 40 Stunden Arbeitswoche und den maximal fünf Wochen Urlaub im Jahr ist fixer Bestandteil des Systems. Ein System, das nun langsam ins Wanken gerät. Mag sein, dass die sogenannten New Ways of Working lange auf sich warten ließen. Doch jetzt haben sie – dank Corona und dem Lockdown-Marathon des letzten Jahres – auch in den alteingesessenen Großkonzernen Einzug gehalten. Es stellt sich also die Frage: Was ist eigentlich neu? Und noch viel wichtiger: Funktioniert’s?

Viel Potential – viel Überzeugungsarbeit

Bevor wir hier in die Details gehen: Mit der neuen Art zu Arbeiten sind nicht flache Hierarchien gemeint. Die Vier-Tage-Woche oder die Lightversion davon, die Sommer-Freitage, gehören da schon eher dazu. Sommer-Freitage sind übrigens die paar Wochen im Sommer, an denen man freitags bereits mittags das Büro verlässt. Manche munkeln, Ämter und staatliche Einrichtungen kannten diesen Trick schon lange vor der Privatwirtschaft.

Vier-Tage-Woche: Island macht’s vor

Von 2015 bis 2019 haben mehrere tausend Personen an einem staatlich geförderten Experiment für ein neues Arbeitsmodell teilgenommen. Die wöchentliche Normalarbeitszeit wurde dabei auf ca. 36 Stunden reduziert, das Gehalt blieb gleich. Fazit: Nicht nur das Wohlbefinden der Angestellten stieg, sondern auch die Produktivität. Das mehrjährige Experiment in Island ist damit Vorreiter in Sachen New Ways of Working und soll auch weiterhin zur Anwendung kommen.

In Österreich bleibt man indessen – wie sollte es anders sein – skeptisch. Höhere Lohnkosten für weniger Leistung werden befürchtet. Die langfristigen Vorteile der neuartigen Arbeitsmodelle scheinen derzeit nur wenig Beachtung zu finden. Ein Beispiel aus unserer Branche zeigt jedoch, wie es auch mit 40 Wochenstunden funktionieren kann: Es gibt zwei Teams, die ihre Work-Life-Balance-Tage an verschiedenen Wochentagen nutzen. So ist das Büro auch weiterhin Montag bis Freitag besetzt.

Kritiker:innen der Vier-Tage-Woche nennen in diesem Zusammenhang oft die längeren Normalarbeitszeiten von bis zu 10 Stunden an einzelnen Tagen, zum Zweck eines längeren Wochenendes. Aus wissenschaftlicher Sicht zeigen sich allerdings kaum Unterschiede zwischen einem 8- bzw. 10-Stunden Tag in Bezug auf die wahrgenommene Erschöpfung durch Arbeitnehmer:innen. Im Gegenteil: Der zusätzliche freie Tag sorgt für eine bessere Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben. Dies steht in direkter Verbindung mit der Verbesserung der psychischen Gesundheit.

Die Psyche sagt „Danke“

…und auch die körperliche Gesundheit. Und das Sozialleben. Und die Hobbys. Und die Kinder, Partner:innen und Haustiere. Aber sagt auch das Unternehmen „Danke”? Auf lange Sicht gesehen ist die Antwort ein ganz klares „Ja“. Experimente aus anderen Ländern, Untersuchungen der Arbeitsmedizin und Praxisbeispiele zeichnen alle dasselbe Bild: Konstante Überarbeitung schadet nicht nur körperlich und psychisch, sondern verzögert Entscheidungsprozesse und lässt unsere kreativen Adern quasi einfrieren. Die Folge: Wir arbeiten mehr und bringen weniger voran. Wörtlich lauten die Erkenntnisse wie folgt:

„Der dadurch kurzfristig erzielte ökonomische Vorteil dürfte sich langfristig in einen Nachteil verwandeln. Höhere Arbeitsleistung erhöht die physische und psychische Beanspruchung der Arbeitenden und wirkt dadurch wiederum leistungsmindernd.”

– Österreichische Gesellschaft für Arbeitsmedizin

Jetzt müsste jemand das mit der Vier-Tage-Woche nur noch der Geschäftsführung erklären, oder? Am besten geht man hier wohl mit einer Exceldatei mit vielen roten Zahlen und einem Balkendiagramm in die Diskussion. Schmäh ohne, wir arbeiten auch dran. Stay tuned.

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