Gscheat is geil: Wie sich Dialekt im Marketing integriert

Wer uns schon länger kennt, weiß, dass wir uns oft ausdrücken wie uns da Schnobl g’wochsn is. Damit sind wir branchenübergreifend zwar durchaus ein Novum, jedoch sicher nicht die einzigen Kreativen, die sich ihrem Dialekt auch beruflich bedienen. Aus gegebenem Anlass haben wir uns deshalb mit dem Trend von Dialekt im Marketing beschäftigt und herausgefunden, warum gscheat eben doch geil ist.

Geh, sei ned deppat

Der Mundart in Werbesujets oder im Content Marketing eilt ein negativer Ruf voraus: Sie soll angeblich die Professionalität des Auftretens mindern und geringe Bildung repräsentieren. Bei genauerem Hinsehen zeigt sich allerdings das absolute Gegenteil. Unser Leben findet international statt, wir können von überall aus arbeiten und sprechen ständig einen Mix aus eigener Muttersprache und englischen Fachbegriffen. Was das zur Folge hat? Wir sehnen uns nach heimeligen Gefühlen: Geborgenheit, Verständnis, nach Hause kommen. Und die bekommen wir, na no na ned, im Dialekt. Auch der Schmäh darf dabei nicht zu kurz kommen, weshalb wir hier über die Verwendung einer ganz besonderen Sorte Humor, nämlich des Wiener Schmähs, berichtet haben.

Wie hättst as denn gern?

Studien zeigen, dass der alltägliche Sprachgebrauch in Österreich stark vom Dialekt geprägt ist. 94 % der Befragten sprechen selbst Mundart, favorisiert wird, eh kloa, meist der eigene Dialekt. Extrawiaschtl machen die Burgenländer:innen, die das Tirolerische und Steirische dem eigenen Dialekt vorziehen.* „Sexy” klingt für die meisten der Befragten das Kärntnerische, selbiges Gefühl hegt nur jede:r Fünfte gegenüber dem Wienerischen. Dass nicht alle die Kombination aus Schmäh, Grant und allgegenwärtigen Schimpfwörtern als hocherotisierend empfinden, kann man niemandem übel nehmen, oder?

*Die obligatorische Feindschaft gegenüber unserem Bundesland-Nachbarn Steiermark wurde seit dem Auszug aus dem Burgenland von ¼ der SCHLAWEANA wohl zu Grabe getragen. Najo, beim Red’n kumman d’Leit zam…

Ois richtig gmocht – Best Practices aus dem Dialektmarketing

I fliag auf Wolke Joya, noch an Liter Soja” – catchy Phrase, 90er Jahre Jogginganzüge und a Voki, wos wü ma mehr? Zugegeben, ein bisschen erinnert die Werbung des Sojadrink-Herstellers an die Herangehensweise von einem der größten Lebensmitteleinzelhändler. Gleichzeitig wird mit dem Spot aber alles erreicht, was durch Dialekt im Marketing erreicht werden kann: Ansprechen der regionalen Zielgruppe und Vermittlung von Sympathie durch die eingesetzte Mundart. Sojadrinks wirken nicht mehr wie ein Exklusivprodukt für die Student:innen im 7. Bezirk, sondern sprechen plötzlich auch den Fredi im alten Einfamilienhaus um’s Eck an.

Quelle: REWE

Generell zeigt sich eine starke Anziehungskraft zwischen Lebensmittelherstellern und Dialekt in deren Marketingaktivitäten. So auch im REWE-Konzern, der mit seiner Eigenmarke „Da komm‘ ich her” auf regionales, saisonales Obst und Gemüse setzt. Ob es Zufall ist, dass es sich beim feschen Wiener um einen Häup(te)lsalat handelt, kann man nur mutmaßen. 😉 Unser Fazit: Stoarke Leistung der Kolleg:innen von DMB, wir ziehen unseren Hut!

Quelle: Wiener Gold

Eine Hommage an das lebendige Wienerisch zwischen morbid und heiter, zärtlich und grob” so bezeichnet sich unser letztes Dialektbeispiel auf deren Website. Wiener Gold betreibt zwar weder einen Lebensmittelkonzern, noch durchgetaktetes Dialektmarketing, hat sich mit der Produktion von Wiener Schmuck aber ganz dem Sprachgebrauch der Hauptstadt verschrieben. Durch das kleine Schmucklabel lassen sich nun Hals und Ohren mit Wörtern wie Gusch oder bussi baba verzieren. Leiwand!

Und wie sogt ma jetzt?

Die steigende Verwendung von Dialekt-Wörtern sowohl in der Werbung, als auch im (Content) Marketing bringt einige Richtlinien mit sich. Diese gilt es zu berücksichtigen, bevor die Entscheidung für den legeren Sprachgebrauch fällt: 

Sei authentisch oder lass es 

Als geborene:r Wiener:in hauptsächlich Hochdeutsch zu sprechen ist heutzutage nichts Außergewöhnliches. Durch YouTube, TikTok und Co. orientiert sich besonders die Jugend immer mehr an Vorbildern unseres großen Nachbarlandes, weshalb viele eher Wörter wie ne, Digga oder lecker verwenden. In der älteren Generation zeigt sich allerdings ein gegenteiliger Effekt: Ganz nach dem Motto zurück zum Ursprung, verwenden viele vermehrt österreichische Ausdrücke wie Bahö, Paradeiser und Hawara.

Erdbeeren als Ananas zu bezeichnen, wäre für eine jüngere Zielgruppe also weit hergeholt. An das etwas ältere Publikum Sprüche wie „Ey, lass mal Essen bestellen. Geht auf meinen Nacken. loszulassen, ebenfalls. Damit Dialektmarketing richtig wirkt, müssen die gewählten Ausdrücke sowohl bei den Sender:innen, als auch den Empfänger:innen einer Botschaft als natürlich empfunden werden.

Übermut tut selten gut

In Branchen, die ein hohes Maß an Seriosität verlangen, wie dem Gesundheitssektor oder auch der Rechtsberatung bzw. bei sensiblen Themen sollte man vom Einsatz der Mundart lieber absehen. Mancher Content verlangt es, den Ernst der Lage zu vermitteln. Etwas, das durch den lockeren Charakter des Dialekts nur schwer möglich ist. Würde man sich hier dem Dialekt bedienen, kann das stark nach hinten losgehen. Ein mögliches Endergebnis wäre ein Vertrauensverlust und die Abwendung der Kund:innen.

Zur richtigen Zeit am richtigen Ort

Dialekt kann auf verschiedensten Plattformen eingesetzt werden, findet seinen Platz jedoch vorwiegend in der TV- und Radiowerbung. Das liegt an der Komplexität der geschriebenen Mundart, die keine fixe Rechtschreibung vorzuweisen hat. Ein Versuch, das Wienerische schriftlich zu vereinheitlichen ist der Liliput Wienerisch, der 5000 Wörter und Redewendungen aus Wien sammelt.

Der Vorteil von Dialekt im geschriebenen Wort ist der Ausbruch aus Routinen: Leser:innen müssen sich beim Überfliegen der Mundart-Texte mehr auf den Inhalt konzentrieren, da der Lesefluss durch den Dialekt unterbrochen wird. Das lässt unser Content Creator Herz gleich höher schlagen. 

Die Moral von da G’schicht

Was die eigene Persönlichkeit ausmacht, sollte man nicht für ein gefaktes Sprechen in Mundart ändern. Umgekehrt gilt: Wenn im Alltag stets Dialekt zur Anwendung kommt und Hochdeutsch quasi eine Fremdsprache ist, wirkt der zwanghaft antrainierte, „seriöse” Auftritt ebenfalls irreführend. Das lässt sich auch 1:1 auf den Unternehmensauftritt umlegen: Authentisch sein, authentisch bleiben – ob Trend oder nicht, ist das oberste Gebot. Wann, wie und in welchem Ausmaß Dialekt im Marketing integriert wird, entscheidet sich durch die Markenpersönlichkeit. Und wie heißt’s so schön: Wenn’s passt, dann passt’s.

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