Warum ist Gendermarketing 2021 immer noch ein Ding?

Cola light und Cola zero, rosa kinder Überraschung und normales Ü-Ei, pinke Kunststoffrasierer für die Damen und dynamische Metallrasierer für die Herren. Es ist schwierig, Produkte zu finden, für die es kein gegendertes Pendant gibt. Aber woher kommt die Strategie eigentlich und welchen Stellenwert hat sie im Jahr 2021?

Gendermarketing gibt es schon seit den 90er Jahren. Das Ziel ist es, männliche und v.a. weibliche Kundschaft noch effizienter anzusprechen – und dabei noch ein bisschen mehr Geld zu verdienen. An sich klingt das ja nicht verkehrt, darum geht es ja schließlich im Marketing – oder? Aber wo beginnt die Zielgruppe und wo das Klischee?

Two boys, one pinky glove 

Das jüngste Beispiel für Gendermarketing ist der pinke Menstruationshandschuh zweier Männer, der einen so heftigen Shitstorm auslöste, dass das Produkt zurückgenommen wurde. Oder der klischeehafte Versuch von Porsche, mit der rosa Lackfarbe „Frozen Berry” die weibliche Kundschaft zu erweitern.  

Teufelskreis Gendermarketing

Das Denken in rosa und hellblauen Schubladen hat gesellschaftliche Auswirkungen: Durch geschlechtsspezifisches Marketing werden klassische Rollenbilder verstärkt und damit auch der soziale Druck, diesen Rollenbildern zu entsprechen: Jungs haben Autos zu mögen und Mädchen spielen mit Puppen. Aus diesen Gendernormen auszubrechen ist besonders in jungem Alter schwierig. Doch Gendermarketing betrifft nicht nur Kinder. 

Gendermarketing = Gender Pricing

Gendermarketing zieht unweigerlich Gender Pricing nach sich: so kostet ein und dasselbe Produkt für Frauen meist mehr, z.B. Rasierschaum. Und das summiert sich: Frauen zahlen durch diese sogenannte „Pink Tax“ rund 30 % mehr bei Einkäufen als Männer. Gerechtfertigt wird Gender Pricing dadurch, dass Frauen besonders bei Kosmetik eher dazu bereit sind, mehr Geld ausgeben.

Zerrspiegel der Gesellschaft

Die Marktsegmentierung in zwei Geschlechter mag zwar gut für die Verkaufszahlen sein, doch die Auswirkungen auf die Rollenbilder in der Gesellschaft sind weniger erbaulich. 

Klar, jetzt könnte man argumentieren, dass Werbung ja nur Werbung ist und man nicht zu viel hineininterpretieren sollte. Doch wirft man z.B. einen Blick auf bekannte Werbesujets aus den 50ern mit dem Rollenbild der unterwürfigen Hausfrau wird schnell klar, dass Werbung ein Zerrspiegel der Gesellschaft war – und nach wie vor ist. Side fact: SheCommerce, Marketing to Women und Female Commerce sind nach wie vor beliebte Ansätze. Für Männer gibt’s dafür noch keine Definition, wohl aber Produkte wie das Seitenbacher „Manager Müsli” oder Balea Duschgel nur für Männer (klar erkennbar an dem aufgedruckten Werkzeug).

Absurdes Gendermarketing wird übrigens jährlich mit dem Negativpreis Der Goldene Zaunpfahl gekürt. 

Die Zeiten gendern sich

Mit neuen Generationen von Konsument:innen wie Millennials und insbesondere der Generation Z kam jedoch der Wandel. Werte wie Individualität und Einzigartigkeit sind tief in ihnen verankert  – diesen Anspruch haben sie auch an Unternehmen. Laut einer McKinsey Studie von 2018 ziehen 48 % der Gen Z Marken vor, die ihre Produkte nicht als spezifisch männlich oder weiblich promoten.  

Produkte und Dienstleistungen weiterhin aus den binären Geschlechterschubladen zu kramen ist passé. Es geht mehr denn je darum, auf die Wünsche der Konsument:innen zu hören. Und die drehen sich nicht länger um 2-in-1 Shampoo für Männer und Kiwi-Kokos-Duschgel für Frauen. Kosmetik- und Wellnessunternehmen wie The Ordinary machen’s vor: mit einem genderneutralen Kommunikationsauftritt sind deren Produkte unter der jungen Generation zum absoluten Must-have geworden. Zeit für andere Branchen nachzuziehen. 

In diesem Sinne: Die Zeiten gendern sich – deshalb braucht es auch im Marketing verantwortungsvolle und nachhaltige Kommunikation.

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