Wiener Schmäh
im Content Marketing

Für sensible Formulierungen oder gar Wohlklänge ist das Wienerische zwar nicht bekannt, aber immerhin schafft es der Wiener Schmäh zu einem eigenen Wikipedia-Eintrag. Kein Wunder, denn der Wiener Dialekt gehört zur Donaumetropole genauso dazu wie die Dreifaltigkeit aus Schnitzel, Kaffee und Walzer. Im Beisl um die Ecke kommt der Schmäh ja gut an, aber wie schaut’s aus, wenn versucht wird, Wienerisches Content Marketing zu betreiben und wie sagen echte Wiener:innen überhaupt zu diesem ominösen Ding namens Content Marketing?

Wienerisch: Eine Sprache als Weg in die Herzen der Wiener:innen

Willst du etwas von Wiener:innen, mach’ dich zunächst einmal darauf gefasst, Ablehnung zu kassieren: „Muss des sein?”, „Geht das ned anders a?”, „Dei ernst?” sind nur drei von unzähligen Formulierungen, die Bewohner:innen dieser Stadt im Laufe der Jahrhunderte entwickelt haben, um etwas nicht tun zu müssen. Aber es gibt ein Gegenmittel, mehr noch, eine Abkürzung in das Herz aller Wiener:innen – den Wiener Schmäh. So hat die Wiener Stadtregierung um die Covid-19 Pandemie zu bekämpfen, die sogenannte OIDA-Regel aufgestellt: „Obstaund hoitn! Immer d’Händ‘ woschn! Daham bleibm! A Maskn aufsetzn!”. Zur Erklärung: Der beliebte Ausspruch Oida war das Jugendwort des Jahres 2018 und bedeutet einerseits „Alte:r”, wird andererseits aber auch als Ausruf der Verwunderung, des Ärgers oder zur Ansprache von Menschen aller Altersgruppen verwendet.

Quelle: MA48

Auch die stadtbekannte Müllabfuhr und Straßenreinigung MA 48 greift auf das Wienerische zurück, um sich die Kooperation von Wiener:innen zu sichern und fragt Raucher:innen ganz charmant: „Host an Tschick?” Der Spruch des Fernseher-Urwieners Mundl „Mei Bier is ned deppat” wurde von Ex-Bürgermeister Michael Häupl zu „Mei Wien is ned deppat” umgedichtet – gelungenes Politmarketing und prämiert als Spruch des Jahres 2017

Doch was genau macht jetzt diesen Wiener Schmäh aus?

Das Patentrezept hinter’m Wiener Schmäh

Der Wiener Schmäh lässt sich am besten als Melange aus Zynismus, gleichermaßen charmantem wie unfreundlichem Sprachwitz mit einem Häubchen Grant (Anm.: Übellaunigkeit) erklären. Auch eine gewisse Nähe zum schwarzen Humor lässt sich nicht abstreiten. So zitiert das Bestattungsmuseum Wien anlässlich der umstrittenen Öffnung der Skigebiete (trotz steigender Corona-Zahlen) den Wolfang Ambros-Klassiker: „Weil Schifoan is des leiwandste wos ma si nur vurstelln konn”. Etwas weniger makaber: Der Mund-Nasen-Schutz mit Aufschrift „Aushuastverhüterli”, was sich wörtlich – Verzeihung an dieser Stelle – nur mit „Hustenkondom” übersetzen lässt.

Quelle: Bestattungsmuseum Wien

Zuweilen wird der Wiener Schmäh auch als hintergründig bezeichnet, versteckt sich in ihm oft auch eine Wahrheit oder Botschaft, die erst auf den zweiten Blick ihre ganze Wirkung entfaltet. So macht die Initiative Demenzfreundliches Wien mit dem Spruch „I merk ma ned jeden Schmarrn” auf die Lebenswelt von Menschen mit Demenz aufmerksam. Mit Schmarrn ist dabei nicht die berühmte Nachspeise gemeint, sondern unnötige Informationen. 

Quelle: Demenzfreundliches Wien

Auch politisches Empowerment lässt sich mit Wiener Schmäh kombinieren. Auf die problematische Frage „Woher kommst du?” antwortet die Restaurantkette Habibi & Hawara* mit der einzig sinnvollen Antwort: „Von daham.”, also von zuhause. 

Quelle: Habibi & Hawara

*Die Restaurantkette Habibi & Hawara ist ein privates und unabhängiges Ausbildungs- und Integrationsprogramm für Menschen mit Flucht- oder Migrationshintergrund. Die Namensgebung verweist auf den arabischen beziehungsweise wienerischen Ausdruck für „Freund:in”.

Passt scho, is leiwand! Aber jetzt sog: Wie sog’n Wiener:innen zu Content Marketing?

Auch wenn wir davon überzeugt sind, dass liebevoller Content einen nachhaltigen Zweck besitzt, hat das Wort noch keinen Eingang in das Wienerische gefunden. In der Regel wird die Erwähnung des Begriffs folgendermaßen quittiert: „Wos is des?”, in nicht wenigen Fällen ergänzt um den Zusatz „…für a Schas?”. Da das aber wenig aussagt, folgen zum Schluss noch zwei frei übersetzte Versuche:

1. Palavern mit an Zü
2. Der Schlagobers der Werbung

Du hast einen eigenen Vorschlag? Schreib ihn uns doch!

Teilen

Share on linkedin
Share on facebook